Pressewoche/Kulturmagazin FuROrum - Artikel vom 29.04.2007

Schattendasein - David Knopfler hat ein Problem: Er war mal bei den Dire Straits
Haben Sie einen großen Bruder oder eine große Schwester? Dann wissen Sie vielleicht, dass das nicht immer ganz so einfach ist. Der/die Ältere kann eher laufen, radeln, schwimmen, kommt früher in die Schule und kann demzufolge meistens eher lesen, schreiben und rechnen. Wenn der/die Ältere noch ein Instrument lernt, dann kommen da auch eher brauchbare Töne raus. Das Lob der Eltern und der Verwandtschaft ist ihnen sicher. Was bleibt den Kleinen? Oft ein pflichtbewußtes „Das hast du aber auch schön gemacht.“ Und klein Brüderchen oder Schwesterchen versteht: „Fast so schön wie dein tolles großes Geschwisterkind.“
Warum ich das schreibe? Weil David Knopfler (54) genau unter diesem Problem leidet. Er ist drei Jahre jünger als sein großer Bruder Mark. Obwohl er vor langer, langer Zeit Mitte der 70er Jahre mit ihm gemeinsam die Gruppe Dire Straits gründete, weiß das bis heute fast niemand. Es ist auch egal. Denn Mark stand bei den britischen Poprockern stets im Rampenlicht. Er schrieb die Songs, spielte diese unverkennbare scharfe Leadgitarre und nölte dazu mit seinem rauen, tiefen Suff-Organ, das die Combo schnell an die Weltspitze katapultierte. Und David? Er war irgendwie immer dabei und doch nicht. Schrammelte im Hintergrund die Rhythmusgitarre und wurde zu Interviews höchstens mal dann gebeten, wenn die Journalisten es mit den Vornamen der Knopfler-Brüder nicht so genau nahmen. Keine tollen Aussichten also für eine Pop-Karriere. Immer das Anhängsel des großen übermächtigen Bruders. Das hätte David zwar ein sicheres Einkommen auf Lebenszeit beschert, doch darum geht es nicht, wenn man sich dazu entschließt, Musiker zu werden. Da will man sich gegenüber ehrlich bleiben und die Anerkennung erfahren, die einem auch zusteht. Deshalb verabschiedete sich David nach nur zwei Alben im Juli 1980 um sein eigenes Ding zu machen. „Ich gehe aus dem selben Grund eines jeden, der seinen Job verlässt, weil er nicht mehr seine Erwartungen und Hoffnungen erfüllt sieht“, sagte er damals. „Ich will nicht einfach der Ausführer der Träume eines anderen sein. Was auch immer das Gegenteil von Reue ist: Es beschreibt am besten, wie ich mich nach dieser Entscheidung fühle. Sie eröffnet mir Millionen kreative Möglichkeiten, weit weg von dem Scheißdreck und den verzerrenden Spiegeln, die der Erfolg mit sich bringt“. David ging nicht blauäugig, denn er wusste schon immer, was er kann. Ideen hatte er genug, jetzt endlich konnte er sich als Solo-Künstler beweisen und machte das auch ganz ordentlich. Übersetzt heißt das: Die Kritiker beklatschten seine Alben, das Publikum ließ sie im Regal stehen und schnappte sich stattdessen lieber die Werke seines Bruders.
Trotzdem - David Knopfler war glücklich. Endlich wurde er nach und nach als eigenständiger Künstler akzeptiert, seine folkigen, manchmal auch countrylastigen Poprocksongs eroberten langsam aber sicher eine kleine und treue Fangemeinde. Sieben Alben produzierte er bis 1995, er tourte und spielte und tourte und spielte. Nebenbei schrieb er Soundtracks für Filme, schon 1985 steuerte er den Titelsong zur „Tatort“-Folge „Doppelspiel“ bei.
Mitte bis Ende der 90er Jahre legte David dann eine kreative Pause ein und widmete sich ganz seinem Hobby, der Fotografie. Zusätzlich bildete er sich im Webdesign weiter. Im Herzen jedoch blieb er immer Musiker. Deshalb ging er 2001 wieder mit einem neuen Album an den Start, es folgten weitere Werke, sein aktuellstes heißt „Songs For The Siren“. Und damit holen ihn die Probleme der Vergangenheit wieder ein. Denn diese Scheibe erinnert Insider an die Band, die er verließ, um etwas anderes zu machen. „Ich darf das, ich bin schließlich Gründungsmitglied gewesen“, sagt er trotzig. Stimmt. „Außerdem habe ich bei den Dire Straits auch gesungen“, sagt er weiter. Stimmt auch. Wenn auch nur auf dem Album „Communique“ und das als Background-Sänger.
Doch David hat beschlossen, jetzt endlich offensiv mit den vergangenen Zeiten umzugehen. Auf den Plakaten zur aktuellen Tournee lässt er sich als „Legend Of Dire Straits“ ankündigen. Was einerseits richtig ist, andererseits einen etwas schalen Beigeschmack hat. Weil der eine oder andere Konzertgänger vielleicht doch nicht so genau auf den Vornamen schaut und unter dem Etikett „Knopfler“ vielleicht den großen Bruder Mark vermutet.
Wischen wir diese Unterstellungen jetzt aber mal vom Tisch und denken wir positiv - wer sich den Auftritt von David und seiner Band anschaut, wird nicht enttäuscht sein. Er ist nämlich wirklich ein Guter und hat es in der Tat nicht nötig, sich als lebende Legende anzudienen. Seine Trümpfe sind charmante, melodische und intime Songperlen und gekonntes Gitarrenspiel, mit dem er sich aus dem übermächtigen Schatten seines Bruders heraus zupfen kann. Wenn er nicht in den Fehler verfällt und im Konzert ein Dire-Straits-Potpurri vom Stapel lässt. Dabei kann er nur verlieren.
Von Andreas Fallscheer
Danke an Herrn Huber für die freundliche Genehmigung zur Übernahme des Artikels. Link zur Pressewoche/FuROrum ...
Blue Rose Records
zur Veröffentlichung der CD "Songs Of the Siren",
21. Oktober 2006
Diese Stimme! Sie klingt nicht nur markant und besitzt extrem hohen Wiedererkennungswert, sondern zieht Zuhörer auch sofort in ihren Bann und weckt Assoziationen. Darum wird wohl fast jeder bei den Songs aus dem Album Songs For The Siren als erstes auf die Dire Straits als Interpret tippen. Fast richtig. Den vorliegenden Silberling hat allerdings DAVID KNOPFLER eingespielt! Er ist der jüngere Bruder von Mark Knopfler und wie dieser Gründungsmitglied des legendären Quartetts. Auf seinem mittlerweile zehnten Solo-Opus seit 1983 präsentiert sich der gebürtige Glasgower jedoch als eigenständiger Künstler. Während Mark sich primär in Country-Gefilden tummelt, versteht es David als Singer/Songwriter geschickt, die einst für die Dire Straits typischen Stilelemente in einen individuellen, transparent-modernen Sound einfließen zu lassen. So zeichnen sein aktuelles Album jene Zutaten aus, die laut "Rock Lexikon" für die Straits in ihren Anfangstagen galten: "In einem Bob Dylan-ähnlichen Sprechgesang dahingemurmelte Vocals, sparsame Gitarrensoli, sacht federnder Druck von der Rhythmusgruppe und eher angedeutete als ausgeführte Melodien". Für David Knopflers Sammlung filigraner Balladen und lässiger Midtempo-Stücke gilt: Diese sehr persönliche Musik rockt nicht, sondern rollt!
Einem internationalen Publikum wurde David Knopfler als Rhythmusgitarrist der 1977 gegründeten Dire Straits bekannt. Nach den Longplayern Dire Straits und Communiqué verließ der ehemalige Sozialarbeiter im Juli 1980 die international megaerfolgreiche Formation, da er sie lieber als Kultband für eine kleine Fangemeinde in entsprechender Umgebung gesehen hätte. Seitdem macht David Knopfler unter eigenem Namen Musik. Es fällt auf, dass der Fan von Randy Newman, Joni Mitchell und Lowell George (Little Feat) jenes besondere intime Flair, das den Straits-Sound einst auszeichnete, in seinen semiakustischen Kompositionen einfühlsam wiederaufleben lässt. Bei der Einspielung von Songs For The Siren konnte David Knopfler dabei einmal mehr auf die Hilfe seines langjährigen Freundes, des Gitarristen Harry Bogdanovs sowie auf Tony Carey zählen. Der kalifornische Tastenspezialist und Gitarrist ("Room With A View") produzierte das Album auch mit ihm zusammen. Außerdem im Studio: Geoff Dugmore, einer der meistbeschäftigen Session-Schlagzeuger Englands (Robbie Williams, Tina Turner, Rod Stewart, Dido), und der Flensburger Saxophonist Johnny Möller.
Von den elf betont atmosphärischen Kompositionen kommentiert David Knopfler spontan sechs: "Das rockige "Steel Wheels" zum Auftakt und "Smile And Say Okay" zum Ausklang der CD dreht sich textlich um zwei Figuren der griechischen Mythologie (Narziss & Echo) mit von mir vertauschten Rollen. "Fire Down Below", das auf einer Zwölfsaitigen gespielt wird, hat emotionalen Verlust zum Thema. Zu "Sophie's Song" inspirierten mich Tarotkarten. "Somebody Kind" ist eine Rückkehr zu meinen Dire-Straits-Wurzeln, aber in einem Tex/Mex-Groove. Das Liebeslied "Accidents Don't Just Happen" basiert auf einem Poem, das im Gedichtband "Blood Stones and Rhythmic Beasts" veröffentlicht wurde, mit dem ich 2005 als Autor debütierte".
Im Frühjahr 2007 wird der unter anderem bei "Amnesty International" und "Adopt A Minefield" sozial sehr engagierte Künstler die semiakustischen Songs der neuesten CD sowie Stücke seiner vorangegangenen Alben live in Deutschland präsentieren. Dann werden einige Konzertbesucher vielleicht jenem Journalisten zustimmen, der über David Knopflers Sound folgendes schrieb: "Es ist die Musik, die sein Bruder Mark immer hätte machen wollen!"
Mit freundlicher Genehmigung von Blue Rose Records.
Pressetext zu "Ship Of Dreams"
"Völlig unbeeindruckt von dem allgemeinen Krisengerede der Musik-Industrie veröffentlicht der Dire Straits-Gründer DAVID KNOPFLER alle zwei Jahre ein neues Album und erfreut seine treuen und zahlreichen Fans mit tiefsinnigen und zeitlosen Songs in einer Qualität, wie sie David seit Jahren in bewährter Singer-/Songwriter-Manier für sich beansprucht.
Wieder einmal hatte er eine ganze Reihe hochkarätiger Musiker und Gast-Sängerinnen um sich versammelt, mit denen er Anfang des Jahres ins Studio ging, um sein neues Album SHIP OF DREAMS aufzunehmen. So ist es kein Geringerer als Chris Rea, der die Slide Gitarre auf den Songs "Easy Street", "When Will The Crying Stops" und "Sometimes There Are No Words" zupft.
Neben US-Sängerin Megan Slankard ("Ship Of Dreams"), die ihn schon auf seiner "Wishbones-Tour 2001" begleitete und zur Überraschung vieler Jule Neigel ("Tears Fall"), kamen Musiker wie Alan Clark (Dire Straits), Martin Ditcham, Pete Shaw und viele andere hervorragende Kollegen zum Zuge. In einigen Songs wird David von einem klassischen Orchester begleitet, wobei er auch diesen Stücken seine - wie schon früher, so auch diesmal - im Gespann mit Co-Producer und Gitarrist Harry Bogdanovs erprobte, persönliche musikalische Note verleiht.
SHIP OF DREAMS bezeichnet David selbst als sein persönlichstes Album. Aber man kann auch mit Fug und Recht behaupten, dass die spürbare Intensität der Musik und der Texte David in Höchstform präsentieren."
Unter Brüdern - Aus "WELT online"
Von Josef Engels - 10. September 2004, 00:00 Uhr
Mark und David Knopfler waren schuld an der Rockband Dire Straits und an der CD. Getrennt musizieren sie unbeirrt weiter
1986 zog die Zukunft ein im Zimmer des Stammhalters. Vorher hatte dort ein Plattenspieler als Heiligtum gestanden, den der jüngere Bruder unter keinen Umständen anfassen durfte. Erlaubt war das Anschauen der Plattenhüllen; "Nectar" oder "UFO" stand darauf, die Bilder und Farben sahen verboten aus. Dann aber kam dieser metallene Kasten ins Haus. Und mit ihm eine kleine Scheibe, die in einer flachen Verpackung lag. Eine silbrige Gitarre reckte sich auf der Umhüllung stolz in den blauen Himmel. Dire Straits. "Brothers in Arms". Es war die erste Compact Disc, die der ältere Bruder vor den Augen des 15-Jährigen ehrfürchtig in das Schubfach des brandneuen Laser-Abspielgeräts einführte. Revolution.
Den Geschwistern war der Anachronismus damals nicht bewusst. Dass ausgerechnet die Dire Straits dem neuen Medium CD zum Durchbruch verhalfen, zählt noch heute zu den seltsamsten Pointen einer an Grotesken durchaus reichen Popgeschichte. Denn die Band, die 1977 von den Brüdern Mark und David Knopfler im Süden Londons ins Leben gerufen worden war, stand eigentlich für die Rückbesinnung auf die wahren Werte des Musikmachens. Mochte Ende der Siebziger der Punk wüten und Anfang der Achtziger von düsteren Menschen abgelöst werden, die an Synthesizern traurig herumstanden - die Dire Straits setzten stur auf Gitarren, die formvollendet gespielt wurden, auf die Nachhaltigkeit des Blues und das alte Kunsthandwerk des Songwritings. "Sultans of Swing" etwa, der erste große Hit aus dem Jahre 1978, war spießig, fröhlich und somit das genaue Gegenteil von New Wave oder "Anarchy in the U.K.". Ein Aufstand der Anständigen.
Dass diese ehrlichen Häute zum Totengräber des Traditions-Mediums LP werden sollten, hätte man nicht erwartet damals. Auf Vinyl erschien "Brothers in Arms" 1985 nur gekürzt. Wer alle Lieder hören wollte, musste sich Compact Disc und Player zulegen. Das taten dann Millionen. Von wegen: "Money for Nothing". Die Investition lohnte sich schließlich, weil jedes Schallplattenknacksen die glasklaren Gitarrenlinien und melancholischen Lieder doch nur verschandelt hätte. Die junge CD-Industrie, die den Dire Straits gleich noch eine Welttournee sponserte, verfügte nun über die Gewissheit, dass sich hier soeben der Absatzmarkt der Zukunft aufgetan hatte.
Die Euphorie ist verschwunden, seitdem sich die Konsumenten am Computer gegen die Musikindustrie verschworen haben und kopieren, was einst gekauft werden musste. Das ist die Kehrseite der Disc. Auch die Dire Straits gibt es schon lange nicht mehr. 1991 kam das letzte Studioalbum der Gruppe heraus; als Mark Knopfler 1996 seine erste Solo-CD veröffentlichte, wusste man, dass es endgültig war. Es war die Zeit, als schon keiner mehr zugeben wollte, jemals Dire Straits gehört zu haben. "Schnarchnasen-Rock", schnaubte man verächtlich. Es fand sich auch niemand, der die bekannte Genesis-Apologie geäußert hätte: "Aber früher waren die mal gut!"
In diesem September erscheinen zwei Platten, die ungewollt das Gedenken an die verdrängte Gruppe aufrechterhalten. David Knopfler, der 1952 in Glasgow geborene kleine Gründungsbruder der Dire Straits, der schon 1980 keine Lust mehr auf das Erfolgsunternehmen hatte, bringt dieser Tage "Ship of Dreams" (Edel) heraus. Sein älterer und berühmterer Bruder lässt am Monatsende "Shangri-La" (Mercury) folgen. Aus den Titeln spricht eine Sehnsucht, die die beiden uneinigen Geschwister verbindet. Davids Schiff der Träume setzt seine Segel Richtung Amerika, wo die Einwanderer auf Mandolinen Liebesweisen begleiten und sich dylanesk in die Mundharmonikas schnäuzen. Mark hingegen, der 55-jährige Stratocaster-Gott seiner Generation, hat mit Bob Dylan schon zusammengearbeitet. Er schreibt auch die bissigeren Songs. Sie handeln vom Kreislauf des Pop aus Ruhmsucht und Ausbeutung, besingen den tragischen Boxhelden Sonny Liston und die Schattenseiten des amerikanischen Traums. Und dennoch liegt für den Schotten Mark das Land des Glücks ebenfalls jenseits des Atlantiks. "Shangri-La" ist nämlich nicht nur das Paradies oder ein Casino. Sondern auch der Name eines Studios in Malibu, wo Dylan und Neil Young aufzunehmen pflegten.
Der Stammhalter der Knopfler-Familie taucht also tief in der Tradition, wie man es von den Dire Straits gewohnt war. "Die Zeiten ändern sich, aber die Menschen nicht", sagt er. Man hört wieder diese Melange aus Country, Folk und einprägsamen Gitarrenriffs. Es schlägt ebenso der Blues durch im Angedenken an Robert Johnson, jenen mythischen Musikanten, der einst seine Seele an den Teufel verkauft haben soll, um jeden an die Wand spielen zu können.
Auch David spricht vom Teufel. Auf "Ship of Dreams" malt er sich aus, wie ihm der Satan einen Vertrag vorlegt. "Äffe die Band nach, in der du früher gespielt hast, und der Erfolg wird dein sein". Gemeint sind die Dire Straits, gemeint ist Mark. Brüder im Geiste. Brothers in Arms. Kein 15-Jähriger wird sich ihre CDs brennen wollen.
Mark Knopfler: Shangri-La
(Mercury / Universal)
David Knopfler: Ship Of Dreams (Edel)
Donaukurier 03.06.2002
Songs von stiller Schönheit mit Raum für Fantasien / Ex-"Dire Straits"-Mitglied David Knopfler in der Fronte
Ingolstadt (DK) Also Leute! Sich in ein Konzert von David Knopfler zu setzen und unaufhörlich die alten "Dire Straits"- Songs zu verlangen, das zeugt schon von einer ganz gehörigen Portion Ignoranz. Der kleine Bruder des großen Mark grinst allerdings nur souverän über den Rand seiner Brille hinweg und verdreht den Kopf: "Nooo!" Das Kapitel hat er längst abgehakt. Wer unbedingt "Sultans of Swing" hören möchte, der darf sich diesmal vertrauensvoll an seinen CD-Player wenden.
Dennoch schweben die "Dire Straits" wie ein Menetekel über dem gesamten Abend in der Ingolstädter Fronte. Vom ersten Ton der lyrisch-verträumten Kompositionen des Mannes aus Newcastle an, dessen geradezu ansteckende Frische und Jugendlichkeit sämtliche Spuren seiner mittlerweile 50 Lebensjahre verwischen, zieht sich die unvermeidliche "Was wäre wenn"-Frage durch den Raum. Der berühmte näselnde Knopfler-Bariton, die fesselnde Erzählstruktur der Arrangements, das Line-Up der herrlich rollenden, hochkarätig besetzten Band mit Drummer Geoff Dugmore (Tina Turner), Bassist Peter Shaw (Chris Rea), Keyboarder/Violinist Charlie Hart (Eric Clapton) und dem superben Gitarristen Harry Bogdanovs schaffen magische Momente zuhauf. Und die Erkenntnis, dass David Knopfler seinen Liedern exakt jene Tiefe zu verleihen vermag, die den "Dire Straits" vor allem bei ihren späteren Werken schlichtweg fehlte. Logisch: Da hatte der jüngere Knopfler die Band, die eigentlich von ihm gegründet wurde, auch schon wieder verlassen, zermürbt von des Bruders Egotrips und den Mechanismen des Business.
Heute präsentiert sich den Menschen ein Eskapaden und Allüren freier, ausgeglichener, ja fast schon glücklich scheinender Musiker, der sich für Amnesty International oder Greenpeace engagiert und den gesamten Erlös seines CD-Verkaufes in Ingolstadt einer Aktion zur Beseitigung von Minenfeldern in Krisengebieten spendet.
David Knopfler verkörpert so etwas wie das gute Gewissen des Pop. Er führt einem ohne pädagogischem Zeigefinger die stille Schönheit längst überkommener Stile wie Folk und Blues vor Augen und Ohren, setzt wieder auf akustische Gitarren statt auf sägender Gibsons mit Wah-Wah-Effekten und Verzerrern, thematisiert soziale Missstände und featuret mit der 18-jährigen Sängerin Megan Slankard aus San Francisco einen Rohdiamanten im Vorprogramm, der problemlos in die Fußstapfen einer Alanis Morissette oder einer Sheryl Crow passen könnte.
Jeder seiner Songs besitzt eine individuelle, fast schutzwürdige Qualität, schier grenzenlosen Raum für Fantasien aller Art und eine ganz besondere unprätentiöse Schönheit: "King of Ashes", das dunkel wogende "Jericho", das heitere "Shine", bei dem die Gitarren wie kleine Sonnen strahlen, oder das mahnende "How many Times". Auch das leidige Dauerthema umkreist David souverän, kredenzt nur zwei Songs aus der "Dire Straits"-Ära, die der allmächtige Bruder aber nicht auf Platte verewigt sehen wollte ("Southside of Town" und "Witness") und komplettiert gerade damit den eigenwilligen Zauber in der nicht ganz ausverkauften, aber restlos begeisterten Fronte. Reinhard Köchl
"Wishbones" - politische und persönliche Songs
David Knopfler: "Wishbones" - politische und persönliche Songs
Ein Presseartikel vom Oktober 2001 zur Veröffentlichung der CD "Wishbones"
von Uwe Käding/AP, © AP - Associated Press GmbH (mit freundlicher Genehmigung)
Rock-Aussteiger und Poet
Realitätsverlust, seelische Deformationen und Menschen verachtender Zynismus - so sieht David Knopfler das psychische Endstadium vieler Rockmusiker.
Dieser Gefahr des Showbiz hat er sich konsequent entzogen, und zwar schon vor langer Zeit mit dem Ausstieg bei den gemeinsam mit Bruder Mark gegründeten Dire Straits. Nun hat er nach sechsjähriger Schaffenspause mit "Wishbones" sein nunmehr achtes Soloalbum (Tru Note/Edel) seit 1983 veröffentlicht.
"King Of Ashes" ist eines der persönlichsten Lieder darauf. "Ich hatte das Gefühl, nach sieben Alben ausgebrannt zu sein. Ich war fertig, ich brauchte eine geistige Erneuerung, ich konnte nicht einfach weiter neue Platten machen und durch diesen Musikindustrie-Mist gehen", sagt er im AP-Interview. "Du findest eine Plattenfirma. Sie lieben dich, sie lieben dich, sie lieben dich. Und dann: 'Hey! Du hast mir keine Million Pfund eingebracht.'" Die Musikindustrie fessele ihre Künstler und zerstöre mit dem so genannten Hype ihren Realitätssinn und ihre Gefühlswelt, sagt der Autor des "Bluffers Guide to Rock" - einer sarkastischen Anleitung zur erfolgreichen Rockmusiker-Karriere.
"Ich bin nicht im Geschäft um Platten zu verkaufen"
Nach den "Small Mercies" von 1995 habe er genug davon gehabt. Er habe sich im Kommerz begraben gefühlt - "bevor du dich versiehst, hast du einen faustischen Pakt geschlossen, einen Pakt mit dem Teufel!" Etwas zu machen, das ihm was bedeutet, sei ihm wichtiger. "Ich bin nicht im Geschäft um Platten zu verkaufen. Ich mache Musik, weil es um die Musik geht!"
Also sieht er sich eher als "Poet und Pilger denn als Show-Biz-Kid". Mit 48 Jahren habe er es sowieso nicht mehr nötig, sich übermäßig um Backbeats zu sorgen und "im eng anliegenden Anzug die Bühne rauf und runter zu turnen". Er wolle ernsthafte Lieder singen, die seine Sorgen widerspiegeln und die seinem - erwachsenen - Publikum etwas bedeuten können.
Rebell mit melancholischen Piano-Balladen und feinen Folk-Melodien
"Wishbones" ist eine Sammlung sehr persönlicher und politischer Lieder. Und einmal mehr der Beweis, dass Knopfler wie Knopfler nach Dire Straits klingen kann. David, der jüngere, ist nach wie vor der rebellischere, eigensinnigere - auch wenn er das jetzt in melancholischen Piano-Balladen und feinen Folk-Melodien tarnt. "Karla Faye" ist eine scharfe Kritik an George W. Bush, der 1998 als Gouverneur von Texas Karla Fay Taxer hinrichten ließ. Die Vollstreckung des ersten Todesurteils gegen eine Frau seit 1863 habe Bush mit den Worten "God bless you, Karla Faye" besiegelt - ein für Knopfler monströser Zynismus. "Ich weiß, dass es jetzt nicht cool ist, George Bush angesichts von Afghanistan und dem allen anzugehen, aber Mann! Er wäre nicht meine erste Wahl, wenn ich in Amerika zu wählen hätte."
"The Bones" ist ein weiteres politisches Lied über die skrupellose Ausbeutung in Entwicklungsländern, "If God Could Make The Angels" ein von den Harmonien her sanftes Verzweifeln an der Menschheit. "Immer lauert die menschliche Grausamkeit um die Ecke. Wann ist nicht etwas Entsetzliches von Menschen angerichtet worden? Wir haben Holocaust nach Holocaust erlebt. Nach Kambodscha dachte ich, es kann keinen weiteren mehr geben. Dann kam Jugoslawien, da war Ruanda, Deutschland hatte natürlich seinen hoch berühmten Holocaust, wir hatten das britische Empire. Mahatma Gandhi hat einmal auf die Frage nach Zivilisation gesagt: 'Es könnte eine gute Idee sein.' So geht es immer weiter." Und David Knopfler singt: "Wenn Gott Engel machen kann, warum zum Teufel hat er die Menschen geschaffen?"
"Ich habe ein Autoritätsproblem"
Stolz ist er auf seine Dire-Straits-Vergangenheit. Und auch darauf, die Band nach "drei glücklichen Jahren" verlassen zu haben. "Die meisten Leute haben die DDR verlassen, als die Mauer fiel", zieht er einen waghalsigen Vergleich. "Es wurde zu sehr zum Geschäft. Da gibt es Regeln, die musst du einhalten. Ich habe ein Autoritätsproblem. Ich kann in so einer Umgebung nicht arbeiten. Die Dire Straits entwickelten sich zu einem Unternehmen, und dann war es für mich Zeit, zu gehen." Für Mark sei es auch besser, ohne die Straits weiter zu machen, und das habe er ihm schon vor Jahren gesagt. "On Every Street" sei nach einigen guten Alben - vor allem "Brothers in Arms" eines zu viel gewesen. "Das einzige, was Bands länger als drei oder vier Jahre zusammenhält, ist das Geld", fügt er hinzu.
Tournee im kommenden März
Knopfler hat gerade in den neuen Ländern eine Kurztournee absolviert. Im kommenden März kommt er in den Westen der Republik, unter anderem nach Köln und Hamburg, kündigt er an. Auf seinem Album spielen neben anderen Gitarrist und Keyboarder Alan Clark (Dire Straits, Eric Clapton), Saxophonist Chris White (Dire Straits, Robbie Williams), Bassist Hutch Hutchinson (Bonnie Raitt, Joe Cocker) und als Gastsänger bei "A Clear Day" Chris Rea mit.
Mit Bart und Balladen - Hamburger Abendblatt vom 05.08.1993

Ich hab' es satt ... Hamburger Abendblatt 21.01.1984

Dire Straits - Musik ohne Schnörkel - Hamburger Abendblatt 14.11.1979

Noch einmal im "Klartext":
Rock, Pop und eine Welturaufführung
Musik ohne Schnörkel
Mit musikalischem Glitzerkram und Effekthascherei haben sie nichts im Sinn: die "Dire Straits", britische Soft- Rock-Gruppe mit einem klaren, durchsichtigen Sound, stand beim Hamburger Publikum hoch im Kurs: Das CCH war bis auf den letzten (Steh-) Platz besetzt. Dabei galten die "Dire Straits", was soviel bedeutet wie "total abgebrannt", vor eineinhalb Jahren noch als Insider-Tip. Heute sind ihre Schallplatten und Konzerte Bestseller - von "total abgebrannt" kann nicht mehr die Rede sein.
Die vier "netten Typen von nebenan" sind zwar keine Pioniere neuer Stilentwicklungen, aber sie bringen unkomplizierte, saubere Musik, die oft ein bisschen an J. J. Cale erinnert.
Nicht nur auf der Schallplatte sehr wirkungsvoll ? Mark Knopflers Solo-Gitarre, die er mal mit zartem Anschlag jazzig-schnell, aber auch knallhart-rockig spielte. Typisch bei jeder seiner Improvisationen ist jedoch der glasklare Sound der meist vollkommen unverzerrten Gitarre. Mark Knopfler ist zugleich der musikalische Kopf und Sänger der "Dire Straits". Oft schienen den drei anderen nur Statistenrollen zugedacht. Doch sie brauchten sich nicht zu verstecken. Bruder David Knopfler trug mit seiner Rhythmusgitarre maßgeblich zum Sound-Reichtum der Band bei, und John Illsley spielte einen ausdrucksvollen, satten Bass. "Dire Straits" waren in Spiellaune ? das Publikum antwortete mit Ovationen.
JöRG LIETZBERG
Mark und David Knopfler bei den Dire Straits ist Gitarrespielen Familiensache Foto: Steffen wolff
erschienen am 14.11.1979
"Straits" erfüllten alle Erwartungen - Hamburger Abendblatt vom 30.10.1978

"Straits" erfüllten alle Erwartungen
Nr. 253 vom 30.10.1978, Seite 8
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Ob ein Geheimtip etwas taugt, erkennt man am besten daran, wie schnell er sich herumspricht. Wie der Name der englischen Pop-Band "Dire Straits" (übersetzt etwa: "Dikker Schlamassel"). Die Band ist gerade erst ein gutes Jahr alt und noch nie zuvor in Deutschland aufgetreten. Aber kaum war ihr Konzert am Sonnabend in der Musikhalie angekündigt, war es auch schon ausverkauft.
Mark Knopfler (Gitarre und Gesang), sein Bruder David (Rhythmus-Gitarre), der Bassist John Illsley und Schlagzeuger Pick Withers enttäuschten die in sie gesetzten Erwartungen nicht. Ihre Musik ist reich an Zitaten: Da klingt mal J. J. Cale, mal Bob Dylan und mal Eric Clapton durch; stilistisch wurzelt sie im Rhythm & Blues und im Reggae. Aber die "Dire Straits" haben aus alledem eine eigene Suppe gekocht: Eine virtuose (hervorragend Mark Knopflers Gitarrenspiel), tänzerische Rock-Musik.
Ihr Spiel macht den vier Musikern, die aus dem Nichts kamen, offensichtlich selbst noch Spaß. Das übertrug sich aufs Publikum: Es verlangte (und bekam) drei Zugaben. hk
"Dire Straits"-Gründer Mark Knopfler Foto: h. klaffs
erschienen am 30.10.1978
