26.11.2005 Jazzdimensions
David Knopfler - "Light in a graceless age"
Um das gleich zu Anfang den Fragen vorzubeugen: Ja, bei dem hier schlank und selbstbewusst vor mir sitzenden David Knopfler handelt es sich wirklich um den kleinen Bruder des in den Schlagzeilen omnipräsenten Mark Knopfler. Bei aller Familienähnlichkeit überwiegen dennoch die Gegensätze, bis hin zu einer Polarisierung, in der in diesem Geschwisterpaar jeder die Antithese des anderen darzustellen scheint.
Richtig - beide gründeten einst zusammen die Dire Straits. Jedoch schon nach kurzer Zeit verabschiedete sich David von der Band, kehrte der Rockstar- und Glamourwelt den Rücken, wählte für sich den steinigeren, individuelleren Weg des Singer-Songwriters.
"Ship Of Dreams" heißt sein neuestes Werk, ein durch wiederholtes Hören wachsender Geniestreich, der mit Songs wie "Symmetrie Of The Stars" und "God's Mockingbird" textlich wie melodisch in die Tiefe geht, einem herzerfrischenden "All I Want Is You" ein nachdenkliches "When Will The Crying Stop" zur Seite stellt: Melancholie ohne Resignation, Abgeklärtheit ohne Bitterkeit. Im Spiel mit Worten, Metaphern, poetischen Reimen und mit, teilweise hinter griffigen Melodien gut versteckten, Weisheiten ist das "Schiff der Träume" ein Album, das letztlich Romantik und Liebe in all ihren Phasen als wichtigste Komponenten im Leben hervorhebt - ein Album, das dem Hörer etwas geben möchte und tatsächlich auch gibt.
"Eigentlich ist es ein Album mit Liebesliedern, eine Rückbesinnung, wenn man so will: Es ist das Album, das ich in den 70ern hätte machen sollen, aber damals nie machte," resümiert Knopfler. Wobei die Gegenwart so etwas auch nötiger habe: "Heute, glaube ich, leben wir in einer viel liebloseren Zeit - das hat mit Thatcher und Reagan begonnen, und mit jenen, die ich als 'Thatchers Kinder' bezeichne. Da draußen ist jetzt eine ganze Generation, die … ich will das nicht verallgemeinern, Ausnahmen gibt es ja immer - jedenfalls, in der Masse herrscht eine wesentlich gnadenlosere, gleichzeitig auch unnachsichtige und weniger spirituelle Einstellung vor. Das spiegelt sich in wider einer allgemeinen Verhärtung: Verhärtung der ganzen kapitalistischen Prozesse, Verhärtung darin, wie das Radio Künstler vermarktet, nach oben bringt und verkauft, Verhärtung darin, wie das Fernsehen nur noch nach der Quote schielt."
Jene anfängliche Leichtigkeit, mit der sich seine Musikkarriere gestaltete, der trügerische Erfolg, die scheinbar selbstverständliche Privilegiertheit, die er schließlich - wie im Song "Easy Street" beschrieben - ausschlug, mag seinen Weg letztlich schwerer gemacht haben; die Abkehr davon hat ihm aber auch Mitstreiter wie den ebenfalls durch den Industriebetrieb geläuterten Chris Rea beschert. Ein attraktiver Mann mit einer Stimme, die Frauenherzen schneller schlagen lässt, ist Knopfler noch immer - vielleicht gerade, weil er wieder auf dem Boden der Tatsachen steht. Aber nicht nur: Knopflers Musik wie der Mensch und Musiker David Knopfler sind fest im Idealismus verwurzelt. Und so spielt die Auseinandersetzung mit dem Universum, dem Sinn unseres Daseins, aber auch dem Glauben an etwas, das uns hier hält, eine große Rolle.
Allerdings, nach dem Gral oder der Erleuchtung sucht er nicht mehr. Knopfler weiß um die Unwägbarkeiten dieser Welt: "Früher oder später müssen wir alle uns damit auseinandersetzen, dass es vier Milliarden von uns gibt, und keiner von uns außergewöhnlich ist. Da stecken wir allesamt drin - jeder muss am Ende selber dafür sorgen, seinen Dreck wegzuschaffen."
Auch "Ship Of Dreams" handelt von eben dieser Thematik: "Das Album hat mit der Erkenntnis zu tun: Das Leben ist nicht einfach und ist es auch nie gewesen." Durststrecken und Zweifel kennt er, wie er sagt - jedoch: "Mir macht das aber nichts aus - so läuft der Hase nun mal. Zu Zeiten erscheint einem alles klar vorgezeichnet, der Weg liegt ganz deutlich vor einem. Dann wieder ist es dunkel wie die Hölle und du hast keinen Schimmer wo's zum Ausgang geht. Siehst du, manchmal ist da am Ende des Tunnels kein Licht und du musst trotzdem weitermarschieren. Mit etwas Glück hast du immerhin eine Kerze dabei und weißt wo du hintrittst, denn: Niemand wird für dich das Licht anmachen!"
Songwriter ist man ganz oder gar nicht - das auch nur vorübergehende Abstreifen des Musikerdaseins und der Rückzug ins Private gelingt nicht: "Es fällt mir immer mehr auf, dass zwischen meinem Privatleben und dem in der Öffentlichkeit keine Trennung mehr besteht. Ich lebe im Grunde als Songwriter." Das sieht man nicht nur an Äußerlichkeiten wie dem sich im eigenen Haus befindlichen Studio, sondern es resultiert auch in Knopflers Erkenntnis, dass das gleichzeitige Leben getrennter Rollen auf dem Weg zum guten Songschreiber sogar hinderlich werden kann: "Aber mehr will ich auch nicht - Lieder schreiben, die hoffentlich eine Aussage haben, eine Bedeutung, die also gute, starke Songs darstellen. Und die dann hoffentlich als solche auch von anderen Songschreibern respektiert werden. Ich versuche also nur in dieser Tradition gute Arbeit zu leisten." Sicher, gibt Knopfler zu, schreibe ein Songwriter seine Stücke immer auch für sich selbst, für sein eigenes Ego. Und der Wunsch, dabei authentisch zu sein und zu bleiben, sich selbst nicht zu verleugnen, hat seine Schattenseiten: "Ich erkenne auch, dass dafür ein emotionaler Preis zu entrichten ist."
In einem Lied flicht Knopfler meist erdachte wie reale Personen, imaginäre, wie erlebte Wirklichkeit mit ein. "Es geht nicht immer einfach um eine Sache aufs Mal," erklärt er, "ich will dass sich in einem Stück viele Ebenen widerspiegeln." Grundsätzlich führt das unter der Oberfläche des Songmaterials zu einer ungeheuren Komplexität, was aber bewirkt, dass der Hörer sich stets in irgendeiner Form angesprochen fühlt, eine Verbindung zu eigenen Erlebnissen aufbauen kann - und genau das wünscht sich Knopfler auch: "Nichts ist großartiger, als wenn dir jemand erklärt: Das klingt, als hättest du das für mich geschrieben! Sag, wie konntest du wissen von der Situation, in der ich stecke - und sie in diesem Lied einfangen? ... Hab' ich natürlich gar nicht! Es ist einfach nur so, dass es da zwischen Songthema und seiner Lebenssituation eine Resonanz gibt, eine Art Widerhall." Die Intensität seiner handgemachten Songs und ihre Überzeugungskraft, die Direktheit der akustischen Gitarre sind jedenfalls Dinge, die im Musikbusiness immer seltener eine Rolle spielen und doch so dringend gebraucht werden.
Und fast wehmütig registriert man David Knopflers rückblickendes Fazit: "Im Grunde stellen meine Lieder eine Reminiszenz an jene Zeit dar, als eine Schallplatte etwas Aufregendes darstellte. Als Leute eine Platte kauften, sie gespannt mit nach Hause nahmen - und es gab noch nicht so viele davon, man hatte Zeit sie anzuhören! Eine Schallplatte war wie ein Freund für dich, du hast sie wieder und wieder gespielt. Und ihr aufmerksam zugehört - im Dunklen und mit Kopfhörern…"
Carina Prange
(aus Jazzdimensions vom 26.11.2005. Vielen Dank Carina für die freundliche Genehmigung!)