20.10.2001 "Home Of Rock"
Es gibt viele mehr oder weniger ungleiche Brüderpaare in der Musik. Die beiden latenten Streithähne Dave und Ray Davis, Mega-Mick und sein "kleiner" Bruder Chris, die Kelly Family (oder sind die Geschwister?), die beiden Van Halens, Edgar & Johnny Winter, natürlich Modern & Talking und etliche mehr.
Zwei Vertreter der eher ruhigeren Gattung sind David Knopfler und DIRE STRAITS-Mastermind Mark. Während der seinen ewigen Platz im Gitarristen-Olymp sicher hat, hat sich David für einen ganz anderen Weg entschieden. Er verließ die Mega-Band nämlich 1980, nach dem wahnwitzigen Erfolg der ersten beiden Dire Straits LPs "Dire Straits" und "Communique" und dem Jahrhundertsong "Sultans of Swing".
Seitdem macht er regelmäßig Alben, die allesamt auf höchstem Singer/Songwriter-Niveau stehen, und widmet sich ansonsten seinem Leben, seiner Familie, seiner Berufung als Künstler und seinen beruflichen Ambitionen, die nicht nur in der Musik angesiedelt sind.
Nach 6 Jahren Pause wurde soeben sein neues Album "Wishbones" veröffentlicht und wir hatten, anlässlich eines Auftrittes bei einer TV-Benefizshow für die Welthungerhilfe die Gelegenheit, mit David ausgiebig zu plaudern. Dabei stellten sich einige Dinge heraus:
- Der Mann steht mit beiden Beinen auf dem Boden
- Er entspricht absolut nicht irgendeinem Klischee des wilden (Rock)Musikers
- und er hat viel mehr zu sagen, als hier darzustellen ist.
Lest bitte die Worte eines echten Sympathikus und charismatischen Künstlers:
Home of Rock:
Hallo David. Lass uns über ein paar Dinge aus der Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft sprechen. Mehr über die Gegenwart natürlich. Du hast soeben ein neues Album draussen. Es heisst "Wishbones" und kommt am Montag (22.10.2001) in die Läden.
David Knopfler:
Ja. Ich habe heute die erste Kopie in die Finger bekommen. Sieht toll aus.
HoR:
Es ist Dein erstes Album seit 1995 und es ist erst das 8. Album insgesamt, seit Du die DIRE STRAITS verlassen hast. Wie kommt das?
D.K.:
Ich weiss nicht, es ist schwierig. Vergleichbar mit Filme machen. Es dauert einfach seine Zeit, die Songs, die Aufnahmen. Und ausserdem ist es ja eine finanzielle Frage. Ich meine, es ist gar nicht die Frage, dass mir keine Songs einfallen. Ich habe hunderte Songs, eigentlich könnte ich im Studio leben.
"Wishbones" wurde im April fertig. Dann habe ich ein Label gesucht, dann wollten die ein paar Änderungen und jetzt haben wir Oktober. In Amerika kommt die Platte nicht vor März raus. Dann werden wir dort ein bisschen promoten und danach denke ich vielleicht über ein weiteres Album nach. 2 Jahre muss man immer mindestens rechnen. Weisst Du, meine Musik ist ja nicht Mainstream.
HoR:
Wie würdest Du das neue Album beschreiben. Was hat sich zu Deinen früheren Platten verändert?
D.K.:
Nun, es klingt vor allem... teurer... Es ist ein komplettes Orchester mit drauf. Ich bin sehr glücklich mit der Platte und meine Freunde sagen es auch. Die meisten Künstler sagen das ja, aber ich glaube wirklich, meine beste Platte gemacht zu haben.
HoR:
Auf "Wishbones" sind jede Menge großer Namen vertreten. Alan Clarke, Chris White, Hutch Hutchinson, Chris Rea etc.
D.K.:
(lacht) Ja, die Plattenfirma hat sich über die Kosten sehr gefreut... Nein, es sind einfach Freunde, die Spass daran hatten.
HoR:
Vor vielen Jahren hast Du mal mit Mel Collins zusammengearbeitet.
D.K.:
Das ist ja wirklich ewig her. Er ist großartig. Ich glaube, es war 1982, als wir zusammen gespielt haben.
HoR:
Weisst Du, was er jetzt macht? Musiker bei einer Late-Night Show im Fernsehen.
D.K.:
Oh, strange. Aber wenn es ihn glücklich macht. Aber nun, ich habe auch als Web Designer gearbeitet.
HoR:
Du wirst in den einschlägigen Lexika und im All Music Guide als Rockmusiker bezeichnet. Stimmst Du dieser Einstufung zu?
D.K.:
Ich weiss nicht, echt. Manchmal ist es wohl Rock, manchmal nicht. Eher öfter nicht. Ich würde mich selbst als Singer und Songwriter bezeichnen. Ich denke, es ist mehr akustische Musik als Rock. Meine Wurzeln liegen eher bei Bob Dylan, Joni Mitchell, Randy Newman, Van Morrison... sind das Rockmusiker? Vielleicht, vielleicht auch nicht. Letztlich sind wir Künstler. Ganz ohne Kategorien.
HoR:
Es gab mal einen Song, Double Dealing, der für einen deutschen Fernsehkrimi als Soundtrack verwendet wurde (Tatort). Hast Du mehr solche Soundtracks gemacht?
D.K.:
Nein. Es ist so ein Ding mit Soundtracks. Oft wird nicht auf die musikalische Qualität geachtet. Wen ich sowas mache, dann möchte ich es gut machen.
HoR:
Du wirst morgen bei einer Benefizveranstaltung im deutschen Fernsehen auftrten. Und überhaupt machst Du viele Charity-Dinge. (David unterstützt viele Organisationen wie Greenpeace oder Amnesty International)
D.K.:
Ah, ich will da kein großes Ding draus machen. Wenn mich jemand frägt, für einen guten Zweck aufzutreten, dann mach ich das. Sieh es mal aus der Sicht der Plattenfirma. Das ist geschäftlich eine tolle Sache, wenn ich da auftrete.
Ich meine, wenn man helfen kann, indem man einen kleinen Scheck ausstellt, oder ein paar Briefe für Amnesty schreibt, dann soll man das tun. Ich will nicht, wie manche Künstler, hinterher meinen Erfolg für solche Dinge feiern.
Weisst Du, was mich wirklich aufgeregt hat? Beim Live Aid waren QUEEN da und singen No Time For Losers. Wenn die keine Zeit für Loser haben, was zum Kuckuck tun die da? Die ganze Veranstaltung WAR für Verlierer.
HoR:
Mal eine Frage für die jüngeren Leser. Du hast die DIRE STRAITS 1980, also vor über 20 Jahren, nach riesigen Erfolgen verlassen. Zu dieser Zeit war das eh überraschend, da eigentlich ganz andere Musik erfolgreich war. Was war denn der Grund für Deinen Ausstieg?
D.K.:
Ich kann mich nicht erinnern...
Es waren musikalische Gründe. Ich war (und bin) Songwriter und ich war sehr kreativ und ich wollte einfach nicht mehr für Träume von einem anderen arbeiten. Es war kein persönlicher Krach oder sowas. Ich mag, auch in der Musik, den demokratischen Weg. Und das ging eben damals nicht mehr. Ich mag es, wenn jeder Musiker das spielt, was er am besten kann. Ich komme mit fertigen Songs, weiss, wie die klingen sollen und dann macht der Bassist oder Drummer, was er für richtig hält. Ich will dem nicht sagen, wie er spielen muss. Jeder soll den Platz haben, das zu tun, was am besten passt. Das sind alles so gute Musiker, dass ich einem Chris White nicht sagen muss, wann er was zu spielen hat.
Bei den DIRE STRAITS ging das mehr und mehr in eine diktatorische Richtung. Die Instruktionen kamen sozusagen von oben per Megaphone. Und ich mag solche Situationen nicht.
HoR:
Ich habe mir Deine Homepage angeschaut und war sehr überrascht über das Design. Du bist ja nicht nur Musiker, sondern machst auch professionelles Webdesign, Artwork etc.
D.K.:
Ich bin nur Anfänger... Ich spiele ein bisschen rum. Ich finde es einfach sehr interessant.
Inzwischen ist das eine Industrie geworden, aber als ich angefangen habe, 1995, war es sehr spannend und die Möglichkeiten waren limitiert. Jetzt gibt es viel mehr Programme, Flash etc., alles sehr kompliziert und großes Business.
Was ich mache, kann man ein bisschen mit Plattenmachen vergleichen. Ein kreativer Prozess.
Ein einfaches Beispiel: Ich sitze nun 4 Tage in diesem f***g Hotel, Bett, Fernseher. Oh, das ist doch kein Leben. Natürlich, ich bin hier um Platten zu verkaufen, aber was ist mit meiner Kreativität, wie soll man hier Songs schreiben? Man kann ein Buch lesen oder eine Zeitung. Das war's dann.
HoR:
Du machst auch Bilder am Computer (sehr schöne übrigens). Malst Du auch richtig, mit Pinsel und Leinwand?
D.K.:
Nein. Es ist aber irgendwie vergleichbar. Nur eben am Bildschirm.
HoR:
Ich habe mir einige Deiner Projekte als Webdesigner angeschaut. Ein sehr witziges ist dabei. Du hast die Seite für eine Firma "The French Brothers" gemacht. Schöne Farben, angenehm weiches Design, nicht dieser grelle, harte Business-Stil. Und dann stellt man fest, dass es sich um eine Handwerksfirma (Dichtungen oder so etwas) handelt. Gar nicht romantisch.
D.K.:
Haha. Das war mein erstes Projekt überhaupt. Ich habe 1800 Deutsche Mark verdient. Die Besitzerin der Firma hat eine künstlerische Ader und so kam das.
Ich mache das ja nicht hauptberuflich. Die großen Firmen haben ganz andere Möglichkeiten, für mich ist das eher ein Hobby. Ich mag das Herumspielen mit den Medien und beim Entstehen von Dingen, Musik, Film oder eben Websites, von Anfang an dabei zu sein.
Ich glaube auch, ich hätte nicht die Gabe, das professionell zu machen.
HoR:
Was sich wohl eher auf den geschäftlichen, als den künstlerischen Aspekt bezieht.
Zurück zur Musik. Du gehst nächstes Jahr auf Tour.
D.K.:
Genau. 7 Dates in Deutschland und ich hoffe, dass wir ganz Europa machen werden..
HoR:
Weisst Du schon, welche Musiker dabei sein werden?
D.K.:
Nein, noch nicht. Aber es wird wohl eine ähnliche Besetzung wie auf dem Album sein.
HoR:
Du bist nicht sehr oft auf Tour.
D.K.:
Leider nicht so oft, wie ich gerne möchte. Ich spiele unheimlich gern live. Aber es ist so, dass ich keinen Manager habe, der sich darum kümmert.
Ich hatte nie so etwas wie einen Karriereplan. Wenn mich jemand frägt, live zu spielen - oder etwas anderes zu tun - dann tue ich das. Dieses Jahr hat mich beispielsweise ein Promoter in Ostdeutschland gefragt, ob ich dort spielen möchte. Da haben wir eben 10 Konzerte dort gemacht. Es war toll und mir ist dabei eigentlich egal, ob das grade gut für die Karriere ist. Mich interessieren ganz andere Dinge. Freundschaften, Dinge, die gut für die Leute sind.
Wenn irgendwelche Firmen irgendwelche Musiker "verheizen" und die lassen es mit sich machen, good luck. Aber nicht mit mir. Letztlich macht es für mich absolut keinen Unterschied, 1 oder 1 Million Platten zu verkaufen. Ich brauch' kein neues Auto. Meins ist super und 7 Jahre alt. Ich habe ein nettes Haus, zwei Schlafzimmer (eins für uns und eins für unseren Sohn), ich habe ein klasse Studio. Was brauch' ich denn sonst noch?
HoR:
David, eine Frage für unsere gitarrespielenden Leser. Was spielst Du für Gitarren?
D.K.:
Neulich habe ich ein Mädchen gehört, Megan Slankard, sie ist phantastisch und hat das Vorprogramm bei unseren Konzerten in Ostdeutschland gemacht. Und sie spielt eine sehr schöne Taylor. So eine will ich jetzt auch haben. Die Dinger kosten bis zu 2.000 Pfund. Ich suche nach einem Sponsor.
Ansonsten habe ich eine schöne Martin, eine hübsche Seagull, einige Fender, eigentlich habe ich mehr Gitarren als ich wirklich brauche.
HoR:
Eine letzte Frage habe ich noch, auch wenn Du sie schon millionenfach beantwortet hast. Gibt es eine Chance für eine Reunion?
D.K.:
I don't know.
Er hat sich (selbst) aus meiner Welt entfernt. Du kannst immer an eine geschlossene Türe klopfen, jemand muss sie öffnen. Ich weiss nicht, ich hoffe, er ist glücklich...
HoR:
David, ich danke Dir für das Interview, alles Gute mit dem Album und viel Glück auf der Tour.
Fred Schmidtlein, 20.10.2001
(Danke Fred für die Übernahme aus "Home Of Rock")